Körperarbeit mit Kindern – ein Schulprojekt in Kreuzberg
Als ich an meinem ersten Schultag losging, um 15 Kindern Aufmerksamkeit auf und Wissen über ihren Körper zu vermitteln, hatte ich keine Ahnung, was auf mich zukommt. Okay, ich habe EINEN Sohn, der auch mal zuhört, aber 15?!? Nun gut. Ich wusste, was ich sagen wollte, nur nicht wie. Auf, auf ins Unbekannte! Der Sprung ins kalte Wasser, ohne dass ich ahnte, wie sich das anfühlen wird. Ich habe dann mindestens genauso viel gelernt wie die Schüler.
Ich war berührt, wie neugierig die Kleinen auf ihren Körper sind und wie sie die Übungen aus meiner Grinberg Arbeit annehmen - wenn man sie anders angeht. Und ich war herausgefordert. Von wegen Stillsitzen oder eine Bewegung machen ohne Grund! Einfach Anspannen und Loslassen – wie langweilig. Aber wenn dabei Tiere ins Spiel kommen, oder man die Muskeln des Anderen fühlen kann, dann wird es spannend. Für die Kinder war es purer Genuss sich mit ihrem ganzen Körper zu entspannen und sich gegenseitig zu massieren. Sie waren erstaunt, wie gut man den anderen dabei spüren und kennenlernen kann.
Und ich war überrascht. Einerseits benutzen sie ihre Körper spontan und intuitiv, wie sie sitzen, hocken, liegen, welchen Platz sie sich aussuchen – und andererseits haben sie kaum bewusste Aufmerksamkeit dafür. Da half dann die Fantasie, ein Bindeglied zwischen ihrem Fühlen und Wissen, um erstmal wahrzunehmen, was sie eigentlich gerade tun.
Die Kinder haben eine erste Idee davon bekommen, dass man sein Wohlbefinden selber beeinflussen kann, auch wenn sie nicht vollständig verstanden haben, wie. Aber sie haben gelernt, wie man an der Haltung und Mimik eines anderen Kindes sehen kann, wahrnehmen kann, wie es ihm gerade geht. Dass man anders ist und anders wirkt, wenn man sich anders hält. Und dass man eine Stimmung aufhören und verändern kann. Sie haben erfahren, was Aufhören und Anfangen bedeuten kann.
Das zu vermitteln ging am Besten mit zwei Varianten meiner Arbeit. Zum Einen das „Intensivieren“. Die Haltung, Mimik und Stimmung, die man in einem bestimmten Moment automatisch und unbewusst einnimmt, extra erzeugen und etwas stärker machen, ein kleines bißchen übertrieben. Dabei saßen alle Kinder im Kreis, eines hat ein Gefühl auf diese Weise gezeigt. Die Kinder zeigten sich wütend, traurig, ausgeschlossen, glücklich, aufgeregt uvm. Die anderen haben dann erraten, welche Stimmung dargestellt wurde. Wenn es erraten war, musste man damit wieder aufhören. Das passierte ganz natürlich. Jeder wollte drankommen. Ein Moment höchster Konzentration in der Gruppe. Unendlich berührend und vielseitig.
Der zweite Schritt lehnt an das Stopping Movement Training an (www.stop-and-roll.de). Dort bewegt man sich im Takt der Musik und auf jeden Beat soll die Bewegung ihre Richtung wechseln. So sollen eingefahrene Bewegungsmuster aufgebrochen werden. Da es den Kindern so schwer fiel, ihre Aufmerksamkeit auf ihren Körper zu halten und ihre Körper insgesamt weniger starr sind als die von Erwachsenen, war das eigentlich sehr genussvolle Training für sie so nicht mitreißend. Spannend wurde es erst, als sie „Stopptanz mit Umformen“ machten. Das heißt, die eine Hälfte der Gruppe tanzte wild, zum Beispiel mit besonders großen Bewegungen der Arme, während die andere Hälfte am Rand stand und zuschaute. Immer wenn die Musik aus war, erstarrten die Tänzer. Die anderen Kinder liefen dann zwischen ihnen hin und her und bauten sie um, in andere Positionen und Haltungen. Sie veränderten spielerisch die Körper, und beendeten, stoppten das Bestehende. Dafür hatten sie 10 Sekunden Zeit – und weiter ging´s.
Es wäre so toll, wenn die Kinder schon in der Schule die Möglichkeit von Aufhören und anders Anfangen mit dem ganzen Körper lernen könnten, es würde ihre Fähigkeiten sich zu konzentrieren, sich auszuruhen, sich auszutoben, für sich und ihre Bedürfnisse zu sorgen - ihre Voraussetzungen fürs Lernen so sehr erweitern und verbessern. Ich hoffe auf noch viele weitere solcher Gelegenheiten.
PS: Vielen Dank an Die Reinhardswald-Grundschule in Kreuzberg für diese Erfahrung.